DER SOZIALWISSENSCHAFTLER
PROF. KLAUS HURRELMANN ZUM THEMA
(Quelle www.wdr.de)
wdr.de: Ist es ein Irrglauben, dass Eltern intuitiv wissen, wie sie ihre Kinder erziehen müssen? Brauchen Sie eine Elternschule?
Klaus Hurrelmann: Ich schätze, dass etwa ein Drittel der Eltern eine Elternschule nicht braucht. Das sind Naturtalente, die mit Kindern ausgezeichnet zurecht kommen. Ein weiteres Drittel kommt einigermaßen zurecht, macht keine schlimmen Fehler. (...)
wdr.de: Was halten Sie für die gravierendsten Mängel in der heute üblichen Eltern-Kind-Beziehung?
Klaus Hurrelmann: Es gibt das Bild vom magischen Erziehungsdreieck, das erfüllt sein muss. Zum einen ist da der Pol der Anerkennung, der Wertschätzung des Kindes. Eltern würdigen diesen Pol heute oft zu sehr, sind überfürsorglich. Diese Eltern müssen lernen, eine kleine Distanz aufrecht zu erhalten, aus der heraus sie ihre Anerkennung zeigen. Der zweite Pol ist die Anregung der Kinder. Viele Eltern haben heute zu hohe Ansprüche an die schulische Leistung oder die Selbstständigkeit ihres Kindes. Das führt zu großer Nervosität, wenn beispielsweise die Zensuren einmal nicht stimmen. Der dritte Pol ist die Anleitung. Diese Anleitung scheint das Komplizierteste zu sein, was mit der überemotionalisierten Wertschätzung des Kindes zusammenhängt. Die Angst davor, autoritär zu werden, führt bei vielen Eltern dazu, dass sie ganz darauf verzichten. So können sie aber nicht zeigen, wie in kleinen Gemeinschaften Verbindlichkeiten gelten, Verstöße auch sanktioniert werden. Die Kunst der Erziehung ist die Harmonie aller drei Pole.
wdr.de: Welche zentralen Überzeugungen verbergen sich hinter dem Elterntraining STEP? Geht es um eine strengere Erziehung?
Klaus Hurrelmann: Im STEP-Elterntraining findet sich vieles aus dem magischen Erziehungsdreieck wieder. Es ist ein zutiefst demokratisches und humanes Konzept. Es zielt darauf ab, Menschen unterschiedlicher Generationen feste und klar strukturierte Regeln für den Umgang miteinander an die Hand zu geben. Die Grundüberlegungen dahinter lassen sich aber auch auf Partnerbeziehungen übertragen.
wdr.de: Für wie wirksam halten Sie das STEP-Training?
Klaus Hurrelmann: In den USA gibt es inzwischen über 60 systematische und wissenschaftliche Überprüfungen, zum Teil im Vergleich mit anderen Erziehungsprogrammen. Das STEP-Konzept schneidet recht gut ab, wirkt sich auch sehr günstig bei Eltern aus, die schon so unsicher sind, dass sie aggressiv werden. Durch die Teilnahme an STEP-Kursen verhalten sie sich effizienter und humaner.
wdr.de: Was für Eltern sind das, die den Weg zu einem solchen Training finden? Sind es solche, die einfach nicht mehr weiter wissen oder eher solche, die einfach alles besonders gut machen wollen?
Klaus Hurrelmann: Die zweite Gruppe überwiegt. Wenn meine Schätzung richtig ist, werden in erster Linie Eltern der mittleren Gruppe erreicht, also die, die einigermaßen zurecht kommen. (...) Ungeheuer schwierig ist es dagegen, die Eltern zu erreichen, die von außen gesehen ein solches Training am nötigsten hätten. Sie müssten sich erst einmal eingestehen, dass sie Fehler machen. (...)
wdr.de: STEP will den Eltern Hilfestellungen für den Erziehungsalltag geben. Sind das Tipps, die den Müttern und Vätern in Fleisch und Blut übergehen oder besteht die Gefahr, dass Eltern allzu schematisch ihr neu erworbenes Wissen anzuwenden versuchen?
Klaus Hurrelmann: Das ist tatsächlich eine große Gefahr bei Elternprogrammen. STEP ist jedoch ganz besonders bemüht, keine aufgesetzte Erziehungstechnologie zu vermitteln. (...) Die Stärke von STEP ist es, dass genau das nicht passiert. Dieses Programm lässt den eigenen Stil der Eltern gelten, lässt sie einfache Muster einüben, ohne die Details vorzuschreiben. Die Erfahrungen aus Amerika zeigen, dass sich Eltern diese Muster sehr gut aneignen können.
wdr.de: Sie werden die Wirkung von STEP-Kursen in Deutschland untersuchen. Wie wollen Sie das machen?
Klaus Hurrelmann: Wir würden sehr gerne Eltern gewinnen, die an diesen Kursen teilnehmen und sie mit anderen Eltern vergleichen, die dies nicht tun. Durch Befragungen und Beobachtungen wollen wir das Verhalten von Eltern und Kindern gegenüber stellen und herausfinden, welche Kinder in ihrer Entwicklung besser vorangekommen sind.
wdr.de: War das Erziehen früher leichter?
Klaus Hurrelmann: Es ist nicht leicht, heute Vater oder Mutter zu sein. (...) Heute setzt Erziehung voraus, dass Eltern sich auf ihre Kinder einlassen, einen Ausgleich suchen, eine begleitende Rolle einnehmen. Das verlangt soziale und psychologische Kompetenz